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Anthropologie

Was Gesänge über die Gene verraten

Meldung vom 12.12.2007 - Forscher: Ähnlichkeiten in der Musik lassen auf gemeinsames Erbgut schließen.

Wer etwas über die Verwandtschafts- verhältnisse zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen erfahren möchte, sollte sich ihren Gesang anhören: Übereinstimmungen in dessen Struktur spiegeln nämlich den Grad der genetischen Ähnlichkeit wider – und das sogar besser als andere Faktoren wie etwa die Sprache. Auf diesen Zusammenhang stieß der amerikanische Populationsgenetiker Floyd Reed von der University of Maryland in College Park, als er die Merkmale von Gesängen aus 39 afrikanischen Kulturen mit genetischen Daten der jeweiligen Völker abglich. Erklären lässt sich der Effekt seiner Ansicht nach dadurch, dass Musik sich sehr viel langsamer weiterentwickelt als andere Aspekte einer Kultur.

Als Basis für seine Studie diente Reed eine Datenbank mit traditionellen Gesängen, die der US-Musikforscher Alan Lomax in den 1950er und 1960er Jahren gesammelt hatte. Alle Stücke darin sind mit Hilfe von 37 Merkmalen wie dem Tempo, der Verwendung von Jodellauten und ähnlichem kategorisiert, so dass es möglich ist, den Grad der Ähnlichkeit zwischen den Gesängen zu bestimmen. Reed setzte nun diese Datenbank in ein Diagramm um, in dem jede Kultur durch einen Punkt repräsentiert wurde. Je enger zwei Punkte dabei zusammenlagen, desto ähnlicher waren die Gesänge.

So liegen etwa die traditionellen Lieder afrikanischer Buschmann-Kulturen wie etwa der Ju'Hoansi eng neben denen sogenannter Pygmäenvölker wie den Aka, zeigte die Auswertung: Bei beiden gehören Jodellaute und extrem schnell aufeinanderfolgende Töne zu den charakteristischen Eigenarten der Gesänge. Die Hutu aus Ostafrika singen dagegen unisono und sind infolgedessen mit deutlichem Abstand zu den Ju'Hoansi und den Aka platziert.

Sehr ähnliche Beziehungen fand Reed auch beim Vergleich der genetischen Daten der Afrikaner. Kulturen, deren Musik sich ähnelt, teilen also auch bestimmte genetische Kennzeichen, schließt der Forscher. Die gemeinsamen Gene waren dabei statistisch gesehen eine stärkere Verbindung als etwa geografische Nachbarschaft: Volksstämme, deren Gebiete nebeneinander lagen, hatten nicht so viele musikalische Übereinstimmungen wie solche mit einer genetischen Verwandtschaft.

Reed gibt allerdings zu, dass das System für wasserdichte Aussagen noch verfeinert werden muss. So seien etwa einige der Faktoren, nach denen die Gesänge kategorisiert wurden, sehr schwer objektiv fassbar. Er glaubt jedoch, mit seinem System eine Methode gefunden zu haben, mit der sich beispielsweise Völkerwanderungen zumindest grob zurückverfolgen lassen.

Nature, Onlinedienst

wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel

Warum Pygmäen klein sind

Meldung vom 11.12.2007 - Studie: Ein verkürztes Wachstum entstand als Folge eines insgesamt beschleunigten Lebens.

Bei den oft auch als Pygmäen bezeichneten kleinwüchsigen Menschen in Afrika, Asien und Neu-Guinea ist die geringe Körpergröße nicht etwa eine Anpassung an das Leben im dichten Urwald. Es ist für sie vielmehr von Vorteil, früh ausgewachsen zu sein und Nachkommen hervorbringen zu können, da ihre Sterblichkeit extrem hoch ist. Das haben britische Wissenschaftler bei einer Analyse von Körpergröße, Fruchtbarkeit und Lebenserwartung von Angehörigen verschiedener kleinwüchsiger Stämme herausgefunden.

In der geringen Körpergröße dieser Menschen, bei denen Männer durchschnittlich höchstens 1,55 Meter groß werden, sahen Wissenschaftler bisher eine Anpassung an das Leben im Dickicht des Urwalds und an die Fähigkeit, Hungerperioden zu überstehen und der feuchten Hitze zu trotzen. Diese positiven Faktoren seien jedoch nur ein Beiprodukt der Evolution, erklären die Wissenschaftler nun, denn die wahre Ursache der Kleinwüchsigkeit liege in der extrem hohen Sterblichkeit. So haben Volksgruppen wie die auf den Philippinen beheimateten Aeta nur Lebenserwartungen zwischen 16 und 25 Jahren. Die Massai und Turkana in Ostafrika, die sich durch große Körpergrößen auszeichnen, werden dagegen im Durchschnitt etwa 40 Jahre alt, argumentieren die Forscher um Migliano.

Dieser Unterschied schlägt sich im Wachstum nieder: Zwar unterscheidet sich das Größenwachstum in den ersten Jahren bei den Aeta kaum von dem der afrikanischen Volksgruppen, doch während bei den Aeta das Wachstum mit zwölf Jahren weitgehend abgeschlossen ist, wachsen die Massai und Turkana drei bis vier Jahre weiter und werden aus diesem Grund weitaus größer.

Das frühere Ende des Wachstums bringt eine schnellere körperliche Reife mit sich, konnten die Wissenschaftler zeigen. So waren bei den Aeta die Frauen am fruchtbarsten, die mit 15 Jahren ihr erstes Kind zur Welt brachten – ein im Vergleich zu anderen, ebenfalls sehr ursprünglich lebenden Volksgruppen extrem niedriges Alter. Laut den Forschern spricht dies dafür, dass bei der Entwicklung dieses Körpermerkmals nicht die geringe Körpergröße an sich einen evolutionären Vorteil bot, sondern das frühe Ende des Wachstums. Die Lebensspanne zwischen Geburt und Tod sei für diese Menschen so kurz, dass sie ein beschleunigtes Leben führten und daher früher zu wachsen aufhörten, schreiben die Wissenschaftler.

Andrea Migliano (Universität Cambridge) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, DOI 10.1073/pnas.0708024105

wissenschaft.de – Ulrich Dewald
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by Dr. Radut