Skip to Content

Anthropologie

Deutsche Anthropologen: Alter Fund des Homo Sapiens in Europa doch nicht so alt

Meldung vom Mittwoch, 9. Februar 2011 - "Sie sehen aber älter aus als Sie sind." Was ein rotes Tuch für ältere Frauen ist, wird nun zur peinlichen Episode für deutsche Anthropologen. Es geht um einen Skelettfund aus Südwestfrankreich, der bisher als einer der ältesten Funde eines Homo sapiens in Europa galt. Der Schädel des Toten wurde im Jahr 1909 von deutschen Anthropologen entdeckt und auf ein Alter von 30.000 Jahren geschätzt. Ein Forscherteam hat einen Backenzahn des Funds nun mit aktuellen Datierungsmethoden neu vermessen und herausgefunden: Der Schädel ist gerade mal 10.000 Jahre alt. Deutlich ältere Funde des frühen Menschen seien offenbar seltener als gedacht, erklärten nun die Staatlichen Museen zu Berlin.

Quelle: DRadio Wissen

 

 

Was die Hobbits - möglicherweise - schrumpfen ließ

Meldung vom 05.03.2008 - Forscher vermuten, dass Mangelernährung zu dem Kleinwuchs der Flores-Menschen führte

Australische Forscher haben eine neue These zu den berühmten Zwergmenschen von der indonesischen Insel Flores aufgestellt: Die Kleinwüchsigen, häufig auch Hobbits genannt, seien keine eigene Menschenart, sondern moderne Menschen, die wegen einer Mangelernährung der Mütter mit Kretinismus geboren wurden. Eine Unterversorgung mit Jodsalz und Selen könne zur Entwicklung von Föten ohne funktionierende Schilddrüse führen, was wiederum Zwergenwuchs und eine verringerte Hirngröße hervorrufe, so die Forscher. Die körperlichen Merkmale dieser Art von Kretinismus glichen den Knochenfunden von der Insel Flores in hohem Maße, berichten Peter Obendorf von der Universität in Melbourne und seine Kollegen.

Als Forscher im Jahr 2004 erstmals die Knochen eines kleinwüchsigen Menschen auf Flores entdeckten, der vor etwa 18.000 Jahren verstorben war, wiesen sie ihm eine eigene Art zu, die sie Homo floresiensis nannten. Seitdem wird heftig debattiert, ob diese Zuordnung korrekt ist. Andere Wissenschaftler glaubten, dass es sich bei den Überresten eher um einen Homo sapiens handele, der an Mikrozephalie litt, einer Verkleinerung von Schädel und Gehirn. Obendorf und seine Kollegen haben nun die These aufgestellt, dass die Flores-Menschen an einem angeborenen Jodmangelsyndrom des myxödematösen Typs litten. Bei dieser Krankheit produziert die Schilddrüse zu wenig Thyroxin, wodurch sich der gesamte Stoffwechsel verlangsamt. Das Zentralnervensystem entwickelt sich verzögert, und es treten Skelettmissbildungen auf, zum Beispiel verkürzte Extremitäten und Zwergenwuchs.

Um Belege für ihre Theorie zu finden, untersuchten die Forscher die Knochen moderner Menschen, die an dieser Krankheit gelitten hatten. Tatsächlich fanden sie viele Übereinstimmungen zu den Merkmalen der Skelette von Flores, unter anderem eine Vergrößerung der mittleren Schädelgrube, primitive Handgelenksformen und vordere Backenzähne mit doppelter Wurzel. Eine Theorie, wie diese Art von Kretinismus auf der Insel entstanden sein könnte, haben die Wissenschaftler ebenfalls: Da die Flores-Menschen im Binnenland der Insel lebten, hatten sie Wege von über 25 Kilometern zur Küste und ernährten sich daher wahrscheinlich von salzarmen Süßwasserfischen und Pflanzen des Waldes. In Afrika haben Forscher zudem festgestellt, dass der Konsum von Giften wie etwa dem der Maniokpflanze, die auch auf indonesischen Inseln wächst, die Häufigkeit von Kretinismus erhöht.

Zusammen mit dem Jodmangel halten die Forscher dies für eine ausreichende Erklärung der kleinen Skelette. Dass nur die Überreste dieser Zwerge und keiner normalgroßen Menschen auf Flores erhalten blieben, schreiben Obendorf und sein Team der damaligen Gesellschaft zu: Die Jäger und Sammler ließen die langsamen Kleinwüchsigen zurück, die sich in Höhlen zurückzogen und dort schließlich allein starben. Die Toten ihrer eigenen Gruppe hingegen begruben die Jäger und Sammler, weshalb keine Spuren mehr von ihnen zu finden sind.

Peter Obendorf (Universität Melbourne) et al.: Proceedings of the Royal Society B, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1098/rspb.2007.1488

wissenschaft.de – Livia Rasche

Blauäugigkeit liegt in der Familie

Meldung vom 01.02.2008 - Menschen mit hellen Augen stammen von einem einzigen Urahn ab

Blauäugige Menschen haben einen gemeinsamen Vorfahren: Die für blaue Augen verantwortliche Genmutation ist so speziell, dass sie von einem einzigen Menschen ausgegangen sein muss, sagen dänische Forscher. Sie sieht bei allen Blauäugigen gleich aus und befindet sich an der gleichen Stelle im Erbgut, wie die Wissenschaftler um Hans Eiberg von der Universität Kopenhagen herausgefunden haben. Erfolgt ist die Mutation vor sechs- bis zehntausend Jahren.

Ursprünglich hatten alle Menschen braune Augen. Dafür verantwortlich ist das Gen OCA2, das die Informationen zum Bau des sogenannten P-Proteins trägt. Dieses Eiweiß ist wiederum ein wichtiger Bestandteil der körpereigenen Produktion von Melanin, das der Haut, den Haaren und den Augen ihre Färbung verleiht. Vor sechs- bis zehntausend Jahren nun, so Eiberg, mutierte das Erbgut und es entstand ein Knopf, der die Fähigkeit zur Ausbildung brauner Augen einfach abschaltete. Dieser Knopf befindet sich auf dem Nachbargen von OCA2 und beeinflusst das Gen derart, dass es zwar nicht vollständig inaktiv, aber in seiner Tätigkeit behindert wird. Es entsteht weniger Melanin und die braunen werden zu blauen Augen "verdünnt".

Die Menge des Melanins, die produziert werden darf, um blaue Augen hervorzubringen, bewegt sich dabei in einem sehr engen Bereich. Wird mehr produziert, ist die Augenfarbe braun oder grün. Bei diesen Erscheinungsbildern sind die möglichen Schwankungen der Melaninmenge sehr viel größer. Bei völliger Abschaltung von OCA2 hingegen entsteht ein Mensch mit weißer Haut, weißem Haar und rötlichen Augen. Dieses Phänomen wird Albinismus genannt.

Wo der erste Mensch mit blauen Augen lebte, ist nicht genau bekannt. Eiberg und seine Kollegen vermuten jedoch, dass die Mutation zuerst im Gebiet nordwestlich des Schwarzen Meeres auftrat. Von dort gab es Wanderungsbewegungen in das nördliche Europa, wo heute die meisten blauäugigen Menschen leben. Doch auch in südlichen Ländern wie Jordanien und der Türkei fand Eiberg blauäugige Menschen mit genau dieser Genveränderung: "Sie alle haben genau den gleichen Knopf an genau der gleichen Stelle in ihrem Erbgut."

Hans Eiberg (Universität Kopenhagen) et al.: Human Genetics (DOI: 10.1007/s00439-007-0460-x)

wissenschaft.de – Livia Rasche

Wahres Alter lässt sich nicht verbergen

Meldung vom 31.01.2008 - Die atomare Zusammensetzung der Augenlinse offenbart das Geburtsjahr eines toten Menschen

Das Geburtsjahr lässt sich an den Augen eines Menschen ablesen: Die für die transparenten Eigenschaften der Linse verantwortlichen Proteine, sogenannte Kristalline, bilden sich überwiegend während der embryonalen Entwicklung des Kindes bis etwa ein Jahr nach der Geburt. Damit sind die Kristalline genauso alt wie der Mensch selbst. Bestimmte atomare Eigenschaften der Kristalline erlauben dann eine Altersbestimmung auf ungefähr anderthalb Jahre genau, haben Forscher um Niels Lynnerup von der Universität in Kopenhagen herausgefunden. Die Methode bietet sich zur Bestimmung des Alters unbekannter Toter durch Gerichtsmediziner an.

Während andere Zellgewebe durch ihre Beteiligung am menschlichen Stoffwechsel einem ständigen Wandel unterworfen sind, bewahren die Kristalline in der Augenlinse ihren ursprünglichen atomaren Aufbau. Nur auf den Zahnschmelz trifft Ähnliches zu. Die Forscher entnahmen von 13 toten Menschen eine Gewebeprobe aus der Augenlinse und analysierten die Menge des Kohlenstoffart C-14 in den Kristallinen. Dieses sogenannte Kohlenstoffisotop hat zwei Neutronen mehr im Atomkern als die häufigste Kohlenstoffvariante C-12. Das Kohlenstoffisotop C-14 ist radioaktiv und wurde durch Atombombenversuche in den Jahren 1955 bis 1963 in größerer Menge in die Atmosphäre freigesetzt. Seither nimmt der C-14-Anteil im Kohlendioxid der Luft stetig ab. Über die Nahrungskette Pflanze-Tier-Mensch gelangt es auch in den Menschen.

Die Forscher zeigten nun, dass die C-14-Konzentration in den Kristallinen dem C-14-Niveau in der Atmosphäre folgt. In ihren Berechnungen haben sie allerdings eine Verzögerung von einem Jahr berücksichtigt, bis ein C-14-Atom über die Nahrungskette aus der Atmosphäre zum Menschen gelangt und dort in die Augenlinse eingebaut wird. Bei der Altersbestimmung von Augenlinse und Mensch kommen sie damit auf eine Genauigkeit von anderthalb Jahren. Die Gewebeprobe sollte in den ersten drei Tagen nach dem Tod erfolgen, bevor Abbauprozesse einsetzen. Um den C-14-Gehalt der Probe zu bestimmen, benötigen die Forscher allerdings einen Teilchenbeschleuniger – eine komplizierten und teuren Versuchsanlage.

Niels Lynnerup (Universität Kopenhagen): PLOS one (DOI: 10.1371/journal.pone.0001529)

wissenschaft.de – Martin Schäfer

Erfolgsgeheimnis: Passende Klamotten

Meldung vom 31.12.2007 - Der moderne Mensch überlebte den Neandertaler möglicherweise wegen seiner Schneiderkünste

Für das Aussterben der Neandertaler könnte ihr fehlendes Geschick mit Nadel und Faden beziehungsweise Knochenspitze und Sehne mitverantwortlich gewesen sein: Die Frühmenschen hatten nie gelernt, Kleidungsstücke so anzufertigen, dass sie sich in mehreren Schichten übereinander tragen ließen, und waren deshalb plötzlichen Kälteeinbrüchen praktisch schutzlos ausgeliefert, glaubt der australische Forscher Ian Gilligan. Damit wären ihnen paradoxerweise gerade ihre robuste Natur und ihre gute Kältetoleranz zum Verhängnis geworden. Der anatomisch moderne Mensch habe schließlich nur deswegen früher die für das Schneidern nötigen Fertigkeiten entwickelt, weil er schon mit einer leichten Abkühlung schlecht zurechtkam, schreibt Gilligan.

Die Neandertaler verschwanden wahrscheinlich vor etwa 30.000 Jahren von der Bildfläche – kurz vor dem Maximum der letzten Eiszeit und etwa zu der Zeit, als sich der moderne Mensch in Europa auszubreiten begann. Warum das passierte, ist unter Wissenschaftlern nach wie vor umstritten. Als Schlüsselfaktoren werden vor allem das Klima und die Überlegenheit des modernen Menschen beim Jagen diskutiert, erläutert Gilligan. Allerdings hält er es genau wie eine Reihe anderer Forscher für merkwürdig, dass der Neandertaler mehr als 100.000 Jahre mit seinen Jagdmethoden glänzend zurechtkam und diese plötzlich nicht mehr ausreichend gewesen sein sollen.

Trotzdem könnten das Klima und eine gewisse Überlegenheit von Homo sapiens die entscheidenden Faktoren gewesen sein – jedoch nicht in Bezug auf die Jagd, sondern in Bezug auf angemessene Kleidung, so Gilligans These. Da der moderne Mensch sehr empfindlich gegenüber kühlerem Wetter war, entwickelte er bereits vor etwa 90.000 Jahren und damit lange vor dem Höhepunkt der Eiszeit eine frühe Form des Schneiderhandwerks. Dazu gehörten Werkzeuge wie Steinklingen, Knochenspitzen und später auch -nadeln, mit denen sich Tierhäute zuschneiden und zusammennähen ließen. Auf diese Weise war es möglich, komplexe Kleidungsstücke inklusive Unterwäsche herzustellen, die den Körper optimal umschlossen und ihn so warm hielten.

Der Neandertaler hingegen war besser an niedrige Temperaturen angepasst und benötigte während normaler Klimaphasen keine zusätzliche Kleidung, abgesehen von losen umgehängten Tierhäuten. Als dann jedoch der Höhepunkt der Eiszeit mit seinen extremen Temperaturen kam, konnten die Neandertaler nicht schnell genug reagieren: Ihnen blieb keine Zeit mehr, die notwendigen Fertigkeiten zu entwickeln. Gilligan hält es daher für wahrscheinlich, dass viele von ihnen erfroren und dass das schließlich zum Aussterben der ansonsten erfolgreichen Frühmenschen führte.

Ian Gilligan (Australische Nationaluniversität, Canberra): World Archaeology, Bd. 39, Nr. 4, S. 499

wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
Inhalt abgleichen


by Dr. Radut