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Die Syphilis kehrt in die Metropolen zurück

Meldung vom 25.01.2008 - Die Syphilis galt eigentlich schon als Relikt einer vergangenen Epoche: Doch nun kehrt die Krankheit zurück und zwar in alarmierendem Tempo. Ausbrüche werden aus Berlin oder Paris, London und anderen Großstädten gemeldet. Als Grund nennen Experten die Zunahme riskanter Sexpraktiken.

„Früher war Syphilis eine sehr seltene Krankheit“, sagt Marita van de Laar, Expertin für sexuell übertragene Krankheiten am Europäischen Zentrum für Krankheitsprävention und Kontrolle (ECDPC). „Das kann man heute leider nicht mehr behaupten.“

Syphilis war die sexuelle Geißel des 19. Jahrhunderts. Der vom Bakterium Treponema pallidum verursachten Geschlechtskrankheit fielen viele Künstler zum Opfer: Dichter wie Charles Baudelaire, Komponisten wie Robert Schumann, Maler wie Paul Gauguin. Mit der Entdeckung des Antibiotikums Penicillin im 20. Jahrhundert verlor die Krankheit ihren Schrecken und rückte Jahrzehnte lang in den Hintergrund.

Aber zur Überraschung von Medizinern greift die Syphilis seit einigen Jahren wieder verstärkt um sich. In Deutschland hat sich die Zahl der Erkrankungen von 1991 bis 2003 mehr als verdreifacht. In Großbritannien schossen die Neuinfektionen im vergangenen Jahrzehnt um mehr als das Zehnfache in die Höhe, auf 3.702 Erkrankungen im Jahr 2006. Und in Frankreich stiegen die Fallzahlen binnen drei Jahren, von 2000 bis 2003, fast um den Faktor 16. In den USA beobachten die Gesundheitsbehörden eine ähnliche Entwicklung.

So unerwartet kam die Rückkehr der Syphilis, dass viele Ärzte die Symptome anfangs kaum erkannten. Eiterbeulen, Wunden und Ausschläge können auf das Leiden hinweisen. In extremen Fällen kann die Krankheit auch Demenz auslösen oder Herz, Lungen und Zentrales Nervensystem schwer schädigen. Im Frühstadium lässt sie sich jedoch gut mit Antibiotika behandeln.

Beunruhigende Zunahme riskanter Sexualpraktiken

Da die meisten Syphilis-Patienten Männer sind, vermuten viele Experten als Hauptgrund für die beunruhigende Zunahme die Wiederaufnahme riskanter Sexualpraktiken unter homosexuellen Männern. Vermutlich haben gerade die Fortschritte bei der Behandlung von HIV die Ausbreitung der Syphilis begünstigt. „Es gibt Hinweise darauf, dass riskantes Sexualverhalten mit der Einführung der antiretroviralen HIV-Therapie ab Mitte der 1990er Jahre wieder zugenommen hat“, sagt van de Laar. Nach den langen Jahren, in denen viele Menschen aus Angst vor Aids regelmäßig Kondome nutzten und die Zahl ihrer Sexualpartner begrenzten, verzeichnet die Medizinerin nun eine „Safer-Sex-Müdigkeit“. Aber Kondome bieten nicht nur Schutz vor dem HI-Virus, sondern auch vor dem Syphilis-Erreger.

In jüngster Zeit wird die Infektionskrankheit zunehmend bei Heterosexuellen festgestellt, Männern wie Frauen. Schwangere Syphilis-Patientinnen können die Krankheit auf das Kind übertragen. Fast jedes zweite im Mutterleib infizierte Kind stirbt kurz vor oder nach der Geburt. „Die Zahl der Syphilis-Diagnosen wird weiter steigen“, prognostiziert eine Sprecherin der britischen Gesundheitsbehörde.

Experten fordern daher ein entschlossenes Vorgehen der Behörden. Dafür bietet sich etwa das Internet an, dessen Nutzung offenbar auch die Ausbreitung begünstigt: „Das Internet ist voller Netzwerke HIV-positiver Männern, die andere HIV-positive Männer finden wollen“, sagt der Aids-Epidemiologe Jonathan Elford von der Londoner City University. Zwar können diese Personen sich nicht gegenseitig mit HIV infizieren, aber mit anderen Krankheiten wie Syphilis. Unter den schwulen Männern in Großbritannien trägt laut Elford jeder zweite Syphilis-Infizierte auch das HI-Virus.

Auch britische Hilfsorganisationen nutzen inzwischen die Internet-Foren zur Prävention. Täglich loggen sich Mitarbeiter des Terrence Higgins Trust, der größten europäischen Aids-Stiftung, in die Chatrooms eines Kontaktforums schwuler Männer ein. Unter den Besuchern werben sie für Safer Sex und beantworten online Fragen. „Wir wissen, dass Männer sich online zum Sex verabreden“, sagt Mark Thompson von der Stiftung. „Also versuchen wir sie im Cyberspace zu erreichen, bevor es zu ungeschütztem Verkehr kommt.“

Auch Van de Laar und Elford halten den Internet-basierten Ansatz für sinnvoll. „Es ist einen Versuch wert“, sagt van de Laar. „Wenn wir es nicht schaffen, Syphilis in der schwulen Gemeinschaft zu stoppen, werden wir es künftig mit einem viel größeren Risiko zu tun haben.“

Zur Originalnachricht auf welt.de







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