Skip to Content

Spontanheilungen bei Krebs durch Bakterien und Fieber

Meldung vom 23.01.2008 - Sie gehören zu den Mysterien der Medizin: Spontanheilungen bei Krebs. Über die Ursachen wurde lange gerätselt. Ein Gießener Bioinformatiker erforscht seit Jahren dieses Phänomens: Ihm fiel auf, dass diese Heilungen oft in engem Zusammenhang mit fiebrigen Infekten stehen.

Seit Jahren erforscht Uwe Hobohm, Professor für Bioinformatik an der FH Gießen-Friedberg, das Phänomen von Spontanheilungen bei Krebs. Dazu hat er unter anderem viele Fallbeschreibungen aus Fachzeitschriften ausgewertet. Seinen Erkenntnissen zufolge stehen Spontanheilungen oft in engem zeitlichen Zusammenhang mit einem heftigen fiebrigen Infekt stehen.

Wenn dieser Zusammenhang tatsächlich besteht, so seine Folgerung, sollte er auch Krebsvorläuferzellen betreffen, sich also vorbeugend bemerkbar machen. Die Bestätigung für diese These hat Hobohm in etlichen verstreuten epidemiologischen Studien gefunden: Demnach senkt eine persönliche Krankengeschichte mit vielen Infekten tatsächlich das Krebsrisiko. Diese "reinigende Wirkung" kann sich aber auch entfalten, nachdem Krebs entstanden ist. So kann ein Infekt nach einer Krebsoperation die Heilungschancen deutlich verbessern.

Die Forschungsergebnisse wurden bereits 2005 im renommierten "British Journal of Cancer" diskutiert. Im Vordergrund stand die Frage, ob es sinnvoll ist, jeden grippalen Infekt mit Antibiotika und fiebersenkenden Mitteln zu behandeln.

Inzwischen haben die Wissenschaftler auch eine plausible biochemische Erklärung für Spontanheilungen bei Krebs gefunden: Durch bakterielle Produkte, so genannte PAMP (Pathogen Associated Molecular Pattern), findet eine Stimulation des angeborenen Immunsystems statt.

Das angeborene Immunsystem gilt aber als Stiefkind in der Krebsimmunologie. Die Forschung konzentriert sich bis heute - auch in der Impfstoffforschung - vor allem auf das adaptive Immunsystem, das imstande ist, Antikörper und T-Zellen herzustellen.

Jedem Impfstoff sind so genannte Adjuvantien beigefügt. Dabei handelt es sich um Hilfsstoffe, welche die Wirkung anderer Bestandteile eines Arzneimittels verstärkt und somit die die Immunantwort um ein Vielfaches verstärken. Doch erst kürzlich haben Forscher erkannt, dass Adjuvantien in Impfstoffen auf dieselben Proteine im menschlichen Körper wirken wie die bereits oben erwähnten PAM-Substanzen: nämlich auf die so genannten Toll-Rezeptoren. Das sind wichtige Bestandteile des angeborenen Immunsystems, die zu einer viel stärkeren Immunantwort gegen Krebszellen führen. Fieber verstärkt diese Wirkung wahrscheinlich auf vielfältige Weise.

Zusammen mit englischen Forscherkollegen hat Hobohm nun in der angesehenen Zeitschrift "Critical Reviews in Immunology". die derzeitige medizinische Anwendung von PAMP in Frage gestellt. Die wenigen vorliegenden klinischen Studien zu PAMP waren bislang nicht sehr erfolgreich, nach Ansicht des Autorentrios eine Folge falscher Anwendung. Anstatt einzelne PAMP über kurze Zeiträume bei austherapierten Patienten zu testen, so die Verfasser, sollte man einen Cocktail von PAMP über längere Zeit an nicht entsprechend vorbehandelten Patienten unter Fieber anwenden. Nur dann könne das volle Potenzial von PAMP gefunden werden.

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Universität Gießen soll nun an Mäusen geprüft werden, ob die Verabreichung von PAMP-Substanzen unter gezielter Fiebererzeugung tatsächlich die Wirkung dieser Krebstherapie verbessern kann.

Zur Originalnachricht auf welt.de







forum | by Dr. Radut