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Was moderner Ultraschall über das Ungeborene verrät

Meldung vom 11.12.2007 - Mit dem bildgebenden Verfahren können heute an die vierhundert Krankheiten vorhergesagt werden.

Ultraschalluntersuchungen bei schwangeren Frauen haben sich in den vergangenen Jahren extrem weiterentwickelt. Etwa vierhundert Auffälligkeiten lassen sich mittlerweile aus den Bildern ablesen. Ärzte leiten sogar Prognosen für das spätere Leben der Babys ab. In einigen Fällen hält dies die Eltern von einem Schwangerschaftsabbruch ab. Bei schweren Behinderungen treibt jedoch die Mehrzahl der Frauen ab.

Arme und Beine sind schon zu erkennen. Die Frauenärztin zoomt den Schädel ins Bild. Groß- und Kleinhirn sind angelegt. Das Herz pumpt. Die Ärztin blickt ins Innere des Organs: Linke, rechte Kammer, Herzklappen und Aorta. Alles da. Das Baby sieht gesund aus. In jedem Schwangerschaftsdrittel wird heutzutage in deutschen Praxen eine Ultraschalluntersuchung angeboten. Noch vor einigen Jahren konnte man die Organe des Ungeborenen dabei nicht im Detail sehen. Heute ermöglichen hochauflösende Ultraschallköpfe, feine Unterschiede zwischen den Geweben auszumachen. Sogar dreidimensionale Aufnahmen und Filme werden erstellt.

"Die Ultraschalldiagnostik hat sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt. Es können etwa vierhundert Fehlbildungen erkannt oder ausgeschlossen werden", erklärt Renaldo Faber, Spezialist für Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Leipzig. Vor allem angeborene Erkrankungen des Gehirns und Herzfehler lassen sich in den Aufnahmen heute leichter als früher identifizieren.

Etwa fünf von hundert Kindern leiden an einer angeborenen Fehlbildung. Eine vergleichsweise große Zahl, die jedoch sehr unterschiedliche Schicksale erfasst. Bei einigen Ungeborenen fehlt beispielsweise eine Herzhälfte oder das Organ sitzt auf der falschen Seite. Auch zu kleine oder vertauschte Arterien am Herzen kann das geübte Auge des Arztes in den Ultraschallbildern sehen. Beides hat vollkommen unterschiedliche Folgen: Bei zu kleinen Gefäßen wird das Organ mit zu wenig Blut und Nährstoffen versorgt. Es wächst dadurch nur zögerlich. Dies kann das Leben des Kindes gefährden. Sind die Adern lediglich vertauscht, entwickelt sich das Baby normal. Nach der Geburt muss es allerdings operiert werden, da das Herz sonst weniger leistungsfähig ist. "Die Komplikationsrate bei dieser Operation ist aber sehr gering", sagt Faber.

Nicht jede Auffälligkeit im Ultraschallbild gibt folglich Anlass zur Sorge. Ein Loch in der Herzscheidewand beeinträchtigt die Gesundheit in der Regel überhaupt nicht. Andere Fehlbildungen können gravierende Folgen haben, zum Beispiel das hypoplastische Linksherz. Bei diesem Defekt ist die Herzschlagader oder eine Herzklappe nicht richtig angelegt. Dadurch verkümmert die linke Kammer. "Manche dieser Kinder können erfolgreich operiert werden. Sie bleiben aber chronisch krank und müssen ein Leben lang betreut werden. Wir wissen auch nicht, wie lange sie ohne Herztransplantation leben können", schildert Faber. Dennoch rettet die frühzeitige Diagnose auch in diesem Fall oft Leben, denn Totgeburten oder schwerere Schäden können mit einem geplanten Kaiserschnitt verhindert werden.

Eltern entscheiden sich angesichts der Ultraschallaufnahmen manchmal sogar bewusst gegen einen Schwangerschaftsabbruch, weiß Faber zu berichten. "Noch vor einigen Jahren wurden Kinder abgetrieben, wenn die Frau an Röteln erkrankte. Heute können wir im Ultraschall eindeutig sehen, dass viele Kinder sich gar nicht anstecken", nennt der Geburtsmediziner ein Beispiel. Seine Botschaft an werdende Eltern soll ihnen zugleich die Angst nehmen: "Wir machen Ultraschall, um Leben zu schützen. Der Eindruck, dass die Untersuchungen zu mehr Abtreibungen führen, ist falsch."

Zumindest bei Herzfehlern mag diese Einschätzung zutreffen. Bei Störungen im Gehirn sieht die Situation allerdings häufig anders aus. Denn dieses Gewebe lässt sich weder regenerieren noch transplantieren. Fehlt die Schädeldecke und ein Teil des Gehirnes – Mediziner sprechen von einem Froschkopf – dann entscheiden sich viele Eltern für einen Abbruch. Wenn das Ungeborene am Down-Syndrom leidet, einem Erbdefekt, der eine körperliche und geistige Beeinträchtigung nach sich zieht, brechen etwa 85 Prozent der Frauen die Schwangerschaft ab, berichtet Eberhard Merz, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin in Bonn.

Bei ein und derselben Erkrankung können die Säuglinge jedoch unterschiedlich schwer erkrankt sein. Der Schweregrad lässt aus den Ultraschallaufnahmen ablesen. Erst vergangene Woche habe er ein Baby untersucht, das an einer Bindegewebserkrankung leidet, so Merz. Arme oder Beine verharren dabei in einer gestreckten Position und können sich nicht bewegen. In einer vierdimensionalen Ultraschallaufnahme, also einem Film, in dem das Ungeborene einige Stunden aufgezeichnet wird, konnten die Eltern selbst verfolgen, wie sich die Krankheit äußert. Anhand des Films kann Merz vorhersagen, ob das Kind im Rollstuhl landen oder sich weitgehend normal bewegen wird. "Nicht selten sagen die Eltern dann: Das haben wir uns viel schlimmer vorgestellt. Sie wollen das Kind gerne austragen", berichtet Merz.

Noch werden dreidimensionale Ultraschallaufnahmen und Ultraschallfilme nur in Spezialkliniken angeboten. In den Praxen beschränken sich die Frauenärzte auf die zweidimensionale Sicht, mit der sich komplizierte und subtile Auffälligkeiten nicht immer erkennen lassen. "In einigen Jahren werden dreidimensionale Geräte Standard sein", erwartet Merz. Unterdessen versuchen Ultraschallmediziner immer kleinere Defekte in Filmen auszumachen. Die Bewegungen der Augenlider, das Schlucken und die Mimik des Kindes sowie der Schlaf-Wach-Rhythmus könnten alsbald Rückschlüsse auf Erkrankungen ermöglichen.

wissenschaft.de – Susanne Donner




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