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Geowissenschaft

Volkszählung bei den Megabeben

Meldung vom 08.03.2008 - Gefahr für Erdstöße vom Kaliber des Sumatra-Bebens ist geringer als gedacht.

In den letzten fünf Jahrzehnten hat es auf der Erde fünf Erdbeben der Magnitude 9 gegeben – der höchsten Kategorie, die auf der Erde bislang beobachtet wurde. Das könnte eine zufällige Häufung solcher Ereignisse gewesen sein, hat der Geophysiker Robert McCaffrey berechnet. Seinen Ergebnissen zufolge dürfte der durchschnittliche Wert bei drei Megabeben pro Jahrhundert liegen.

Diese erfreuliche Nachricht hat aber einen Haken: Laut McCaffrey können solche Beben an allen sogenannten Subduktionszonen auftreten. An diesem Plattengrenzentyp schiebt sich eine ozeanische Platte unter einen Kontinent oder unter eine andere ozeanische Platte. Aufgrund der bekannten Erdbebengeschichte und bestimmter physikalischer Überlegungen hatten Geowissenschaftler bislang angenommen, dass Megabeben der Magnitude 9 an manchen Subduktionszonen prinzipiell nicht auftreten können. Die Überraschung über das Sumatra-Andamanen-Beben vom zweiten Weihnachtstag 2004, das eine Magnitude von 9,2 erreichte und den zerstörerischen Tsunami im Indischen Ozean verursachte, war unter Geowissenschaftlern daher groß: Nach gängigen Modellen hätte es dort kein Megabeben geben dürfen.

McCaffrey zog nun statistische Überlegungen zurate. Da es erst seit hundert Jahren Seismographen gibt und historische Überlieferungen auch nur wenige Jahrhunderte zurückreichen, sei es nicht möglich, aus der bekannten Erdbebengeschichte zu schließen, dass manche Abschnitte von Subduktionszonen von Megabeben verschont werden. Wegen der langen Wiederkehrzeiten reiche die statistische Datenbasis für solche Schlüsse nicht aus. Da Subduktionszonen in der Regel im Meer liegen, müsse an allen solchen Plattengrenzen mit Tsunamis gerechnet werden.

Geophysiker versuchen seit längerem zumindest statistische Vorhersagen für Wiederkehrzeiten von Erdbeben an bestimmten Plattengrenzen zu machen. Die zugrundeliegenden Berechnungen sind relativ einfach: Bei einem Magnitude-9-Beben verschiebt sich die Erdkruste englang eines mehrere hundert Kilometer langen Segments einer Plattengrenze auf einen Schlag um 20 Meter. Je nachdem, wie schnell sich die Platte bewegt – zwischen zwei und zehn Zentimetern pro Jahr – dauert es zwischen 200 und 1.000 Jahren, um genug Spannung für ein Megabeben aufzustauen. Wenn die Spannung zwischendurch durch kleinere Beben abgebaut wird, können die Intervalle zwischen zwei Megabeben noch länger sein.

McCaffrey kommt aufgrund dieser Überlegungen zu dem Schluss, dass in den letzten Jahrzehnten ungewöhnlich viele Megabeben auftraten. Das stärkste jemals gemessene Beben ereignete sich 1960 in Chile (Magnitude 9,5), weitere Magnitude-9-Beben gab es 1946 auf den Aleuten, 1952 in Kamtschatka, 1964 in Alaska und eben 2004 vor Sumatra.

Robert McCaffrey (GNS Science, Lower Hutt, Neuseeland) et al.: Geology Bd. 36, S. 263

wissenschaft.de Ute Kehse

 

 

Ewiges Eis trotz Hitze

Meldung vom 11.01.2008 - Auch in der Warmzeit der Erde gab es riesige Gletscher

Die Bildung von Gletschern ist nicht auf Eiszeiten und andere kühle Perioden beschränkt. Sie findet selbst in Superwarmzeiten statt wie vor 90 Millionen Jahren, als die tropischen Meerestemperaturen 8 Grad Celsius über den heutigen lagen und Krokodile die Arktis bevölkerten. Damals könnte der antarktische Kontinent zu 60 Prozent von Eis bedeckt gewesen sein, hat André Bornemann von der Universität Leipzig bei Untersuchungen von Sedimentbohrkernen des Demerara-Plateaus im Atlantik herausgefunden.

Das Team um Bornemann untersuchte Bohrkerne, die aus dem Meeresboden vor der Küste Venezuelas stammen, mit zwei Methoden: Zuerst beschäftigten sie sich mit den in der Probe enthaltenen Überresten von Amöben. Diese Lebewesen sind als fossile Thermometer, sogenannte Paläothermometer bekannt: Forscher ziehen hierbei aus dem Verhältnis von schweren zu leichten Sauerstoffmolekülen in der Panzerung der Amöben Rückschlüsse auf die Temperatur des Meeres zur Bildungszeit der Panzer. Die für die Warmzeit schon in früheren Studien errechnete hohe Temperatur konnte das Forscherteam um Bornemann bestätigen, doch nicht durchgängig, wie die Forscher erwartet hatten. Im Turonium, vor 91,2 Millionen Jahren, zeigte das Isotopenverhältnis eine kurzfristige Abkühlung der Meerestemperatur an.

Ein zweites Paläothermometer bestätigte das Ergebnis der Wissenschaftler: Die Fettsäuren von marinen Lebewesen wiesen für die Zeit des Turoniums einen erhöhten Anteil von schweren Sauerstoffmolekülen auf. Dies passiert nur, wenn irgendwo auf der Welt große Gletscher vorhanden sind, da Wassermoleküle mit leichtem Sauerstoff besser verdunsten und sich deshalb im Eis konzentrieren, während die schweren Sauerstoffatome im Meer bleiben.

Bornemann gelang es, durch rekonstruierte Meeresspiegelschwankungen die ungefähre Eismasse des Gletschers zu schätzen. Er geht davon aus, dass das Eis zu Zeiten der maximalen Ausdehnung bis zu zwei Drittel des antarktischen Kontinents bedeckte und sich für circa 200.000 Jahre hielt. Eine Theorie, wie der Gletscher trotz der hohen Temperaturen entstanden sein könnte, hat der Wissenschaftler ebenfalls: Der in eisfreiem Zustand höher als heute liegende Kontinent stellte mit seinen bis zu 2.500 Meter hohen Berggipfeln für ziehende Regenwolken eine Barriere dar. Zum Aufstieg gezwungen, regneten die Wolken ab. Durch die niedrigen Temperaturen in der Höhe könnte der Regen als Schnee gefallen sein, der bei größerer Masse Gletscher gebildet hätte.

André Bornemann (Universität Leipzig): Science, Band 319, S. 189

wissenschaft.de – Livia Rasche


Strahlender Strand als Wiege des Lebens

Meldung vom 11.01.2008 - Natürliche Kernreaktoren könnten biochemische Prozesse in Gang bringen, sagt amerikanischer Forscher

Wie das Leben auf der Erde entstand, ist nach wie vor eines der größten Menschheitsrätsel. Der Wissenschaftler Zachary Adam von der University of Washington hat nun in der Zeitschrift Astrobiology eine neue Idee vorgestellt, wo das Wunder der Schöpfung stattgefunden haben könnte: An einem radioaktiven Strand, berichtet das Magazin New Scientist.

Adams Theorie zufolge könnte sich am Strand eine Art natürlicher Kernreaktor gebildet haben, der wie ein "schneller Brüter" funktionierte und sich das nötige Spaltmaterial selbst erbrütete. Die Energie aus der Kernspaltung habe sodann chemische Reaktionen begünstigt, bei denen ein Vorläufermolekül von Aminosäuren und Zuckern, das heute als Lösungsmittel verwendete Acetonitril, entstanden sei. Uranerze wie Monazit setzten seinen Angaben nach Phosphate frei, die ebenfalls in der Biologie eine wichtige Rolle spielten. "Aminosäuren, Zucker und lösliche Phosphate konnten alle gleichzeitig an einem radioaktiven Strand entstehen", zitiert der New Scientist den Forscher.

Komplexe aus Thorium oder Uran und organischen Molekülen könnten in seinem Modell außerdem biochemische Reaktionen in Gang gesetzt haben, die zur Entstehung des Lebens nötig waren – lange bevor es Enzyme gab, die diese Aufgabe später übernahmen, schreibt Adam. In Experimenten bestätigte Adam, dass unter den Umweltbedingungen, wie sie in grauer Vorzeit herrschten, tatsächlich Acetronitril entstehen kann.

Der Forscher berechnete, dass die Uranerze einen Anteil von einem bis acht Prozent am Sand haben mussten, damit die Kernspaltung einsetzte. Vor 4,3 Milliarden Jahren war der Anteil spaltbaren Urans in natürlichen Mineralien noch wesentlich höher als heute. Adam zufolge könnten sich die Uranerze an Stränden am Flutsaum als so genannte "Strandseife" entsprechend angereichert haben: Die Aktivität von Ebbe und Flut war damals noch wesentlich stärker als heute, weil der Mond sich näher an der Erde befand. Durch die Wellen wurden verschieden schwere Mineralien sortiert, so dass regelrechte Uran Lagerstätten entstanden. Heute kennt man zum Beispiel Anreicherungen von Gold in Alaska, die auf diese Weise entstanden sind, oder auch Diamantlagerstätten in Namibia.

Ein Beispiel für einen natürlichen "schnellen Brüter" ist ebenfalls bekannt: In einer Uranlagerstätte im westafrikanischen Staat Gabun setzte vor zwei Milliarden Jahren eine Kettenreaktion ein, die erst nach 500.000 Jahren zum Erliegen kam. Auch auf anderen Gesteinsplaneten könnten natürliche Kernreaktoren die nötige Energie erzeugt haben, um biochemische Prozesse in Gang zu setzen, schreibt Adam.

Zachary Adam (University of Washington, Seattle): Astrobiology, Bd. 7, Nr. 6, S. 852

wissenschaft.de - Ute Kehse


Vielfalt durch Chaos

Meldung vom 20.12.2007 - Meteoriteneinschläge kurbelten die Evolution an

Wenn ein größerer Meteorit auf die Erde stürzt, bedeutet das für die Lebewesen auf dem Planeten meist nichts Gutes. Die Dinosaurier etwa wurden vor 65 Millionen Jahren durch eine solche Katastrophe komplett ausgelöscht. Allerdings können die kosmischen Projektile dem Leben auch nützen, berichten Forscher um Birger Schmitz von der Universität Lund in Schweden: Eine ganze Serie von Einschlägen vor ungefähr 470 Millionen Jahren hat ihrer Ansicht nach die biologische Vielfalt erst zur richtigen Entfaltung gebracht.

Vor diesem Zeitpunkt, während des Erdzeitalters Ordovizium, dümpelte die Biodiversität noch auf recht niedrigem Niveau. 70 Millionen Jahre vorher waren erstmals komplizierte mehrzellige Tiere auf der Erde erschienen und hatten rasch unterschiedlichste Formen und mehrere verschiedene Stämme wie Gliederfüßer, Weichtiere oder Stachelhäuter hervorgebracht. Auf der Ebene von Gattungen, Familien und einzelnen Arten gab es aber noch keine so große Fülle wie in späteren Zeitaltern.

Vor etwa 470 Millionen Jahren erschienen dann plötzlich mehr und mehr Tierarten und Familien auf der Erde, die Zahl der Gattungen nahm innerhalb weniger Millionen Jahre um das Dreifache zu. Bislang wurde diese Entwicklung einem erhöhten Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre zugeschrieben. Schmitz und seine Kollegen hatten aber den Verdacht, dass dies mit einem kosmischen Ereignis zusammenhing: Aus der Untersuchung von Meteoriten wissen Planetenforscher bereits seit einiger Zeit, dass vor ziemlich genau 467 Millionen Jahren ein größerer Asteroid mit einer besonderen chemischen Zusammensetzung im Asteroidengürtel zerbrach. Noch heute treffen Trümmerstücke dieses Himmelskörpers auf die Erde. In den ersten 10 bis 30 Millionen Jahren direkt nach der Katastrophe fielen deutlich mehr Mikrometeoriten, aber auch größere Fragmente auf die Erde als in gewöhnlichen Zeiten.

Die Forscher um Schmitz untersuchten nun in Schweden und China einige Schichten aus dieser Zeit genauer, um herauszufinden, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen gab. Sie konnten den Zeitpunkt des Asteroidenzerfalls relativ präzise feststellen, da sich die Zahl von winzigen Mikrometeoriten in den Gesteinsschichten ab einem bestimmten Zeitpunkt um den Faktor hundert erhöhte. In allen untersuchten Gegenden nahm die Artenzahl in einigen wirbellosen Tierstämmen gleichzeitig zu.

Die Forscher vermuten, dass die zahlreichen Einschläge bis zu einem Kilometer großer Meteoritenbruchstücke zum einen etablierte Ökosysteme durcheinander brachten. So erhielten neue Arten eine Chance, sich auszubreiten. Zum anderen habe der Dauerbeschuss neue ökologische Nischen und eine vielfältigere Umwelt erzeugt. Die Ökosysteme am Meeresboden entwickelten in dieser Zeit ein völlig neues Gesicht.

Birger Schmitz (Universität Lund, Schweden) et al.: Nature Geoscience , Online-Vorabveröffentlichung, doi:10.1038/ngeo.2007.37

wissenschaft.de - Ute Kehse


Im Trüben forschen

Meldung vom 17.12.2007 - Schlick und Matsch entstehen anders als bislang angenommen

Für Geologen stand bislang fest: Feinkörnige Ablagerungen wie Schlick, Matsch oder Schlamm, die aus winzigen Mineralkörnchen mit einem Durchmesser von weniger als einem zehntel Millimeter bestehen, können sich nur in ruhigem Wasser bilden. Das stimmt nicht, berichten nun Jürgen Schieber und seine Kollegen von der Indiana University: In Experimenten wiesen die Forscher nach, dass sich die feinen Partikel auch bei relativ starker Wasserströmung am Boden absetzen können.

Geologen lesen in den Gesteinen der Erdkruste wie in einem Buch. Aus Art und Form der enthaltenen Mineralien können sie viel über die Umweltbedingungen lernen, die vor Jahrmillionen auf der Erdoberfläche herrschten. Besonders interessant sind dabei die sogenannten Sedimentgesteine, die verfestigten Überreste von Ablagerungen, die sich einstmals am Boden von Meeren oder Seen bildeten. Der größte Teil aller Sedimente sind Tongesteine – ein Gemisch aus besonders fein zermahlenen Quarzkörnern, Überresten von Lebewesen und Tonmineralien. Tongestein ist sozusagen versteinerter Matsch.

Bislang galt das Vorhandensein von Tongestein als Beleg für eine Ablagerung in extrem ruhigem Wasser. Die feinen Partikel, aus denen dieses Gestein besteht, so nahmen Geologen an, können nur dann zu Boden sinken, wenn keine Strömung vorhanden ist. Die Labor-Experimente von Schieber und seinen Kollegen zeigen aber nun, dass diese Annahme falsch ist: Selbst in Wasser, das sich mit einer Geschwindigkeit von 26 Zentimetern pro Sekunde bewegte, bildeten sich in den Versuchen rippenförmige Ablagerungen am Boden. Die feinen Schlickpartikel, zeigen die Forscher, schließen sich nämlich schon im Wasser zu größeren Flocken zusammen, die schwer genug sind, um zu Boden zu sinken.

"In Tongestein sieht man häufig auch Spuren von Erosion und schneller Wieder-Ablagerung von Schlamm – alles zur gleichen Zeit", berichtet Schieber. "Diese Beobachtungen passen nicht zu der Vorstellung, dass das Wasser die ganze Zeit ruhig gewesen ist. Wir brauchen eine bessere Erklärung." Die Ergebnisse der Experimente könnten beim Bau von Häfen oder Wasserstraßen hilfreich sein, die regelmäßig von Schlamm befreit werden müssen. Auch die Erdölindustrie könnte von den Daten profitieren: Das organische Material, aus dem sich Kohlenwasserstoffe bilden, lagert sich meist zusammen mit feinkörnigen Sedimenten am Boden ab, weil die Materialien gut zusammenkleben.

Jürgen Schieber (Indiana University, Bloomington) et al.: Science, Bd. 318, S. 1760, 1734

wissenschaft.de - Ute Kehse


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by Dr. Radut