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Intelligenz

Füchse sind die besseren Hunde

Meldung vom 16.12.2007 - Der Fuchs ist klug, so klug, dass er mit seiner Intelligenz eigentlich den besseren Hund abgeben könnte – doch in unserer Vorstellung gilt das Tier als menschenscheuer Einzelgänger. Deutschen Zoologen ist in Sibirien nun ein Kunststück geglückt: Sie haben folgsame und zutrauliche Füchse gezüchtet.

Zurzeit liebt Reineke es blutrünstiger als sonst. Im Sommer noch haben die Füchse sich fast vegetarisch ernährt, von Pflaumen, Himbeeren oder Mistkäfern. Aber jetzt, im Winter bleibt dem Vulpes nur die Jagd – nach Igel, Gänsen, Kaninchen und Mäusen. Pflanzliches im Sommer, Fleisch, wenn's kalt wird.

Die erzwungene Ernährungsumstellung verlangt dem Fuchs eine starke Intelligenzleistung ab – er wechselt von der Ernte- zur Jagdtechnik und zeigt dabei enorme Fantasie. Das Duell Fuchs gegen Igel nimmt meist diesen Verlauf: Der Igel igelt sich ein. Aber die stachelige Igel-Kugel lässt sich vorsichtig mit der Pfote rollen – bis in den nächsten Teich hinein. Sogar Uhus, Krähen und andere Aasfresser überlistet der Fuchs. Er stellt sich tot. Die Zunge hängt lang zwischen den Kiefern, alle Viere nach oben liegt er da. Ein Aasvogel hüpft heran – und findet sich zwischen zuschnappenden Zahnreihen wieder.

Einigen Wissenschaftlern ist jetzt ein erstaunliches Meisterleistung geglückt: Durch eine Zucht-Reihe gelang es ihnen, das scheue Tier in einen zutraulichen Begleiter zu verwandeln.

Ein Fuchs, der freudig und mit dem Schwanz wedelnd sein Herrchen begrüßt? Unvorstellbar für Verhaltensbiologen. Ihnen bot sich bei gefangenen Füchsen immer das gleiche Bild: Schon beim ersten Anblick legt das elegante Tier die Ohren an, klemmt den Schwanz zwischen die Beine und verzieht sich klamm und krumm in die hinterste Ecke des Geheges. Zwei Schritte näher, und dem Menschen kommen Presslaute entgegen. Sie beginnen wie das Knarzen einer ungeölten Tür, dann wie ein quiekendes Kleinkind und klingen schließlich mit einem zischenden Schnaufer aus. Erst dann greift er an – eine Attacke mit aggressivem Zischen.

Bereit dem Menschen zu dienen
Solche Szenen sind es, die das Bild vom Fuchs als klugen, aber menschenscheuen Einzelgänger prägten. Jahrtausende lang hat Reineke dieselbe Stellung unter den Hunden eingenommen wie das Zebra unter Pferden: ein schönes, elegantes, freiheitsliebendes Tier mit starkem Charakter und eigensinnigen Lebensvorstellungen.

Auch im Verlauf von Jahrhunderten schien es immer ausgemacht, dass beide – Fuchs und Zebra – unmöglich als Nutz- oder Haustiere anzugleichen seien. Nun stellt sich heraus, dass der Fuchs – das in den Fabeln, Märchen und mittelalterlichen Epen kluge und durchtriebene Tier – Bereitschaft zeigt, dem Menschen zu dienen. „Und möglicherweise könnten sie es besser, als Hunde jemals dazu in der Lage wären“, sagt Brian Hare vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Als der Mensch den Wolf zum Haushund bändigte, muss es ihm nur in zweiter Linie um Klugheit gegangen sein, schreibt Hare in seiner Studie zum „Farm-Fox“-Experiment in Sibirien. Der Lehrmeinung zufolge fiel die Wahl auf den Wolf als Ursprung aller Haushunde vor allem wegen der Verständigkeit. Aber die Experimente von Hare und seinem Team zeigen etwas anderes. Die Studien auf einer sibirischen Pelztierfarm bringen ans Licht, dass noch sehr junge Füchse den Menschen ebenso gut verstehen wie Hunde.

Füchse verstehen den Fingerzeig
Und das, obwohl der beste Freund des Menschen schon seit 14.000 Jahren Umgangserfahrung hat und auch nach Eigenschaften wie Befehlsverständnis gezüchtet worden ist. „Von Menschen aufgezogene Wölfe muss man erst darauf trainieren, Zeigegesten korrekt zu deuten. Zahme Füchse verstehen sie auf Anhieb“, sagt der Tierpsychologe Adam Miklósi von der Eötvös Lorand University, Budapest. Sogar Wildfüchse könnten manchmal einem Fingerzeig folgen – besser als jeder Wolf.

Seit mehr als 40 Jahren züchten die Forscher aus einer Pelzfarm in Novosibirsk Füchse mit dem Ziel, die Antwort auf eine Frage zu finden: Wie rasch sind Wildtiere zu domestizieren?

Die Methoden sind seit Jahrzehnten gleich geblieben: Eine Füchsin wirft Junge. Wenige Wochen später beginnen die Forscher-Züchter die Auslese. Dabei stellt sich ein Pfleger vor den Käfig, öffnet die Tür und versucht, den Fuchs zu berühren. Die Reaktion entscheidet – die freundlichsten Tiere werden zu Paaren zusammengestellt.

Das Ergebnis hat die Forscher verblüfft: Zahme Füchse, die sich wie hyperaktive Hundewelpen beim Anblick ihres Herrchens benehmen – wildes Winseln, Bellen, Schwanzwedeln. Entscheidend ist, wie die Tieraugen das Gesicht des Menschen erforschen – „erstaunlich, wie sie in den Gesichtern zu lesen versuchen“, sagt Miklósi. Und nur wenige dreieckig gespitzte Lauscher: Die Ohren der zahmen Füchse klappen nach vorne, Schwänze biegen sich nach oben, im braunen Fell schimmern Flecken. Charles Darwin wäre begeistert. In seiner „Entstehung der Arten“ schrieb er: „Es gibt nicht ein einziges domestiziertes Tier, das nicht zumindest in einigen Ländern hängende Ohren ausbildet.“

Sind Füchse die besseren Hunde? Die Forscher sind von der überlegenen Fuchs-Intelligenz überzeugt. Aber Intelligenz war den frühzeitlichen Hundezüchtern offenbar nicht wichtig. Sie wollten vor allem Stärke. Hunde sind nicht nur zum Bellen gut. Sondern auch zum Beißen.

Zur Originalnachricht auf welt.de



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by Dr. Radut