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Ostdeutsche spüren Ungerechtigkeit stärker

Meldung vom 03.03.2008 - Ostdeutsche haben nach Einschätzung von Jenaer Sozialwissenschaftlern mehr Gespür für soziale Ungerechtigkeit als Westdeutsche. Ihre Stimmungen könnten deshalb als sozialpolitisches Frühwarnsystem dienen, sagt Soziologe Hartmut Rosa. Die "Wessis" wiederum haben den pragmatischeren Blickwinkel aufs System.

"Die Ostdeutschen sind immer noch deutlich von den sozialistischen Idealen geprägt - sie wenden sie aber unabhängig vom bestehenden politischen System an. Dadurch haben sie einen ausgeprägteren Sinn für Gerechtigkeit und Gleichheit." Rosa gehört zu rund 50 Experten in Halle und Jena, die seit sieben Jahren die Entwicklung der ostdeutschen Gesellschaft nach 1990 erforschen. "Viele Ostdeutsche haben durch ihre Erfahrungen eine Angst entwickelt, sich noch einmal vollständig in ein politisches oder wirtschaftliches System fallen zu lassen", erläuterte Rosa die Ergebnisse von Befragungen in Ost und West. "Sie sind dadurch sehr viel kritischer."

Menschen in den neuen Bundesländern orientierten sich an sehr viel allgemeineren moralischen Vorstellungen. Sie hätten dadurch eher die Fähigkeit, reale wirtschaftliche und politische Zustände mit abstrakten Idealen zu vergleichen. "Westdeutsche haben tendenziell den viel pragmatischeren Blickwinkel auf das System."

Nach Ansicht der Forscher gibt es im Osten eine zunehmende Kluft zwischen Bürgern und Führungseliten. "Kurz nach der Wende haben die Eliten versucht, die alten Lösungsmuster fortzuführen und etwa Arbeitsplätze aus Solidarität entgegen jeglichem ökonomischem Kalkül erhalten."

Als dies fehlschlug, wurden schnell "westliche Leitbilder" übernommen. Das habe bei den Bürgern zu Enttäuschungen geführt. "Dies zeigt sich heute an vielen empirischen Befunden wie der Politikverdrossenheit, der Schwächung der Volksparteien und dem Erfolg der Parteien an den äußeren Spektren."

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