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Genforschung

Per Schnellzug in die Südsee

Meldung vom 21.01.2008 - Genvergleich zeigt: Polynesier vermischten sich auf ihrer Wanderung kaum mit Melanesiern

Das Volk der Polynesier stammt ursprünglich aus Taiwan und hat sich auf seiner Reise durch Ozeanien kaum mit den eingeborenen Melanesiern vermischt. Dies hat ein Team um Genetiker Jonathan Friedlaender von der Temple-Universität in Philadelphia herausgefunden, das in einer Studie das Erbgut von mehr als 1.000 Menschen aus 41 verschiedenen Inselpopulationen Ozeaniens analysierte. Ziel der Forscher war, den Ursprung des polynesischen und des melanesischen Volkes und ihre Verwandtschaftsbeziehungen untereinander zu entschlüsseln.

Die Frage nach dem Ursprung der Südseevölker beschäftigt Wissenschaftler schon seit mehr als zwanzig Jahren. Ausgehend von früheren Studien, die auf der Analyse von Sprachfamilien, Kultur und ersten genetischen Vergleichen basierten, hatten Forscher drei mögliche Hypothesen aufgestellt. Die erste, von Ethnologen "Schnellzug nach Polynesien" genannt, geht davon aus, dass die Polynesier aus Asien kamen und über Indonesien und Melanesien bis zu den unbewohnten Inseln im mittleren Pazifik zogen. Nach der zweiten Hypothese, dem "Langsamen Boot nach Polynesien", haben Polynesier zwar asiatische Wurzeln, stammen primär aber von Melanesiern ab. Vertreter des dritten Ansatzes sind schließlich der Meinung, dass die genetische Vermischung der Völker über Jahrtausende hinweg zu komplex ist, um überhaupt rekonstruiert werden zu können.

Durch die große Anzahl von Proben und der Analyse von fast 800 genetischen Markern wollte Friedlaender die ungenauen Ergebnisse der vorhergehenden Studien verbessern und eine der Theorien bestätigen. Tatsächlich konnte er eine enge Verwandtschaft zwischen Polynesiern und den Ureinwohnern Taiwans feststellen, wohingegen Melanesier kaum Erbgut mit Polynesiern teilen. Dies, so Friedlaender, spreche für die Schnellzug-Variante unter den Theorien. Woher die Melanesier stammen, bleibt dagegen weiterhin unklar. Die genetische Vielfalt innerhalb der melanesischen Inselbevölkerungen ist so groß, dass ein eindeutiger Ursprungsort nicht auszumachen ist. Ihre Besiedelung der pazifischen Inseln begann aber auch schon vor 50.000 Jahren, wohingegen die Polynesier erst vor 3.000 Jahren in die Gegend kamen.

Jonathan Friedlaender (Temple-Universität, Philadelphia): PLoS Genetics, Bd. 4, Artikel e19

wissenschaft.de – Livia Rasche


Mehr Hinweise aus weniger Erbgut

Meldung vom 12.01.2008 - Eine Spur, mehrere Verdächtige: Die früher oft noch ungenauen DNA-Analysen sollen nun mit neuen Verfahren noch präziser werden

DNA-Analysen sind keineswegs so eindeutig wie oft angenommen. Es kommt durchaus vor, dass der Abgleich einer Spur mit den Erbinformationen in den Polizei-Datenbanken mehrere Tatverdächtige liefert. Nur mit mehr Daten lässt sich das Problem lösen, glauben Gerichtsmediziner. Künftig könnten beispielsweise auch DNA-Angaben gespeichert werden, die Rückschlüsse auf die Herkunft der Person zulassen.

Und wieder wird eine Leiche gefunden: Verscharrt am Ufer eines Flusses entdeckt ein Spaziergänger den entstellten Körper einer Frau. Das Gerücht von Mord geht um. Bekannte und Angehörige werden befragt. Der Onkel lag im Streit mit dem Opfer. Ein ehemaliger Straftäter wohnt im selben Dorf. Beide werden verdächtigt. Doch die Fahnder kommen nicht weiter. Erst ein Gerichtsmediziner kann den Fall aufklären. Eine DNA-Analyse offenbart: Der Onkel war’s.

In Krimis aus Film und Fernsehen werden wie im geschilderten fiktiven Fall DNA-Tests oft als eindeutiges Beweismittel dargestellt. Ein Irrglaube, wie Rüdiger Lessig, Rechtsmediziner an der Universität Leipzig, klarmacht: "Die Praxis sieht anders aus." Es kommt durchaus vor, dass die DNA-Analyse den Verdacht auch auf einen Unschuldigen lenkt. Noch heute sind die Ergebnisse der Analysen daher nur eines von mehreren Indizien.

Als die Kriminalämter 1998 begannen, DNA-Analysen einzusetzen, fiel schon nach zwei Jahren auf, dass man die Aussagekraft offenbar überschätzt hatte: "Zu einer DNA-Spur vom Tatort kamen immer wieder mehrere Verdächtige infrage", schildert Lessig. Eine eindeutige Identifizierung war teilweise nicht möglich. "Ich glaube aber nicht, dass es deshalb zu Fehlurteilen gekommen ist, da zusätzlich stets andere Indizien ausgewertet werden", meint Lessig.

Mehrdeutige Ergebnisse ergibt der DNA-Abgleich immer dann, wenn das Erbgut zu grob ausgewertet wird, wie man heute weiß. Denn das Genom eines Menschen ist sehr wohl einzigartig. Aber aus Datenschutzgründen dürfen von der Polizei nur bestimmte Regionen im Erbgut erfasst werden, die keine unmittelbare Bedeutung für den Menschen und vor allem nichts mit äußeren Eigenschaften wie etwa Haar- oder Augenfarbe zu tun haben. Bei diesen bedeutungslosen DNA-Abschnitten beschränkte man sich Ende der neunziger Jahre zunächst auf nur fünf Regionen, so genannte "Short Tandem Repeats" (STRs). Deren Länge wurde in den Datenbanken gespeichert.

Das waren jedoch zu wenige Informationen für eine eindeutige Identifizierung eines Menschen, wie sich bald herausstellte. "Wenn die fünf STRs einer Person mit der DNA-Spur am Tatort übereinstimmen, sollte die Person mit einer Zuverlässigkeit von mindestens 99 Prozent der Täter sein", so Lessig. "Aber das ist nur Theorie", fügt er mit Nachdruck hinzu, "die Biologie folgt nicht streng den mathematischen Gesetzen."

In Europa gibt es vielfach Bevölkerungsgruppen, die sich weitgehend isoliert entwickelt haben. Bei ihnen sind die STRs deshalb oft identisch. In Irland etwa starben viele Menschen an der Hungersnot vor mehr als hundert Jahren. Nur wenige Männer und Frauen überlebten und begründeten später die fortan wachsende irische Bevölkerung. Noch heute sind die STRs im Erbgut vieler Iren deshalb viel ähnlicher als in bunt zusammengewürfelten Gruppen. Auch die Finnen haben lange Zeit isoliert von den Nachbarvölkern gelebt. Daher variieren ihre STRs ebenfalls nur geringfügig.

Mittlerweile wurden in Deutschland drei weitere STRs in die Polizei-Datenbanken aufgenommen. "Damit ist die Aussagekraft der Analysen gestiegen", erkennt Lessig an. Dennoch kann es auch heute noch vorkommen, dass sich zu einer Spur zwei Verdächtige finden. Die Behörden erwägen deshalb bereits, noch mehr Erbinformationen zu speichern. In den USA ist man inzwischen bei zehn STRs angelangt. An Forschungsinstituten werden schon jetzt bis zu 15 STRs herangezogen.

In einigen Fällen reicht auch das nicht aus: Um beispielsweise die Opfer der Tsunami-Katastrophe von 2004 zu identifizieren, musste die Standardanalyse weiterentwickelt werden. "Das war ein hoher Aufwand. Aber wir konnten damit die Opfer in Sri Lanka zu hundert Prozent identifizieren", sagt Walther Parson, Wissenschaftler am Institut für Gerichtliche Medizin in Innsbruck.

Parson hat jedoch soeben eine Methode in der Fachzeitschrift Human Mutation vorgestellt, die die Arbeit der Polizei "revolutionieren kann", wie die Presseabteilung des Innsbrucker Institutes verkündet. Dank einer neuen Messtechnik kann er nebst der Länge der STRs auch deren Zusammensetzung bestimmen, die bei gleicher Länge durchaus variieren kann.

Parson verfügt damit über das präziseste Instrument der DNA-Analyse zur Aufklärung von Straftaten. "Das wird uns künftig vor allem bei schlecht erhaltenen Spuren in der Kriminalistik, aber auch bei der Identifizierung von Opfern bei Katastrophen helfen", freut er sich.

Die Kriminalämter werden vermutlich bald bei dem Innsbrucker Gerichtsmediziner anklopfen. Denn ihnen würde das neue Verfahren auf einen Schlag einen gewaltigen Zuwachs an Informationen bescheren. Aus der Zusammensetzung der STRs lassen sich geringfügige Unterschiede in der Abfolge der Basenpaare ermitteln, sogenannte Single Nucleotide Polymorphismen (SNPs). Mit diesen kann unter anderem die Herkunft einer Person eingegrenzt werden.

Lessig konnte anhand solcher Unterschiede bei knapp 13.000 Männern mit mehr als 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob sie aus dem ost-, mittel- oder westeuropäischen Raum stammen. Auch Deutsche und Polen, Letten und Esten ließen sich aufgrund von Variationen in den STRs grob auseinanderhalten. "Allerdings keineswegs mit Sicherheit. Der Befund liefert nur einen Hinweis", betont Lessig. Dennoch könnte die Polizei anhand solcher Informationen künftig die Zahl der zu untersuchenden Personen bei Rasterfahndungen eingrenzen.

Bücher:

Markus Sauter: "DNA-Massentests im Strafverfahren", Verlag für Polizeiwissenschaft 2003, ISBN-13: 978-3935979238

Ingo Meyer: "Der Mensch als Datenträger?", Berliner Wissenschafts-Verlag 2001, ISBN-13: 978-3830502074

wissenschaft.de - Susanne Donner


Was Schizophrenie mit Krebs zu tun hat

Meldung vom 11.12.2007 - Bestimmte Gene erhöhen das Risiko für die psychische Erkrankung und senken die Gefahr für Tumoren

Schizophrenie und Krebs sind sozusagen zwei Seiten der gleichen genetischen Medaille: Das Risiko für beide Krankheiten wird von den gleichen Genen beeinflusst, allerdings auf genau entgegengesetzte Weise. So erhöhen einige Genveränderungen das Risiko für Schizophrenie, senken aber gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken. Das berichteten mehrere Wissenschaftlerteams auf einem Kongress für Neuropsychopharmakologie. "Es ist sehr eigenartig, dass eine Gehirnerkrankung, die mit sehr komplexem menschlichem Verhalten verknüpft ist, auf dem genetischen und zellulären Level so frappierende Überschneidungen mit Krebs, einer ausgesprochen verhaltensunabhängigen Störung, zeigt", fasste Daniel Weinberger vom National Institute of Mental Health die Ergebnisse zusammen.

Sowohl Krebs als auch Schizophrenie sind Krankheiten mit sehr komplexen Entstehungsmechanismen, an denen neben der genetischen Veranlagung auch Umwelteinflüsse beteiligt sind. Zudem scheint keine der beiden Krankheiten auf einzelne genetische Veränderungen zurückzuführen sein. Vielmehr sind es nach heutigem Wissensstand viele verschiedene, zum Teil noch gar nicht bekannte Gene, die zusammen das Risiko für eine Erkrankung bestimmen. Interessanterweise gibt es jedoch unter den bereits identifizierten Risikogenen einige, die sowohl mit Schizophrenie als auch mit Krebs in Verbindung gebracht wurden, berichteten die Forscher.

Die meisten dieser Gene, die unter anderem die Hirnchemie oder den Hormonhaushalt steuern, haben eines gemeinsam: Sie kommen in mehreren Formen vor, von denen jeweils eine den Stoffwechsel und damit auch die Zellteilung rasant beschleunigt, während eine andere den gegenteiligen Effekt hat und Stoffwechsel sowie Teilungsrate stark abbremst. Ersteres erhöht das Risiko einer unkontrollierten Teilung und damit einer Entartung der Zellen, letzteres vermindert es. Gleichzeitig verursacht ein verlangsamter Stoffwechsel in bestimmten Bereichen des Gehirns jedoch ein Ungleichgewicht und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, psychische Störungen wie eben Schizophrenie zu entwickeln.

Zwar helfe diese Entdeckung nicht, vorherzusagen, wer nun an Krebs oder Schizophrenie erkranken wird, betonte Weinberger. Sie erleichtere jedoch die Risikoabschätzung und werfe zudem ein neues Licht auf die Entstehungsmechanismen der Krankheiten. Damit könnte es in Zukunft möglicherweise gelingen, neue Ansätze zu finden, mit denen die jeweiligen Veränderungen rückgängig gemacht werden können, hofft der Forscher.

Daniel Weinberger (National Institute of Mental Health) et al.: Beitrag auf dem Jahrestreffen des American College of Neuropsychopharmacology, Boca Raton

wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel


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