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Psychologie

Das Hirn googelt

Meldung vom 31.12.2007 - Das Gedächtnis nutzt ein ähnliches System wie die Suchmaschine

Die menschliche Erinnerung arbeitet bei der Suche nach Informationen ähnlich wie die Suchmaschine Google. Das haben amerikanische Psychologen in Vergleichstests gezeigt. Google basiert auf einem speziellen Verfahren namens PageRank, das nicht nur die Anzahl der Begriffe auf den Internetseiten, sondern auch deren Wichtigkeit wertet. Welche Seiten wichtig sind, wird wiederum davon bestimmt, ob andere wichtige Seiten zu der jeweiligen Seite linken. In Zukunft könnte dieses Prinzip dazu benutzt werden, in Erinnerungsexperimenten die Wichtigkeit von Wörtern zu untersuchen, schreiben die Wissenschaftler um Thomas Griffiths.

Ähnlich wie Google nach Internetseiten suchen auch Menschen in ihrem Gedächtnis nach Daten, Fakten, Wörtern oder Konzepten. Wie frühere Untersuchungen bereits zeigten, sind die Informationen im Erinnerungs-Netzwerk ähnlich miteinander verbunden wie die Daten im Internet. Die Wissenschaftler um Griffiths untersuchten nun mit einem Test zur Erinnerungsfähigkeit, wie eine solche Informationsbeschaffung funktioniert: Fünfzig Probanden wurden nacheinander Karten mit einem Buchstaben des Alphabets gezeigt. Anschließend mussten sie beginnend mit diesen Anfangsbuchstaben das erste Wort nennen, das ihnen einfiel, beispielsweise "Apfel" als Antwort auf "A".

Die auf diese Weise gesammelten rund 5.000 Wörter stellten die Forscher in einem unter sprachlichen Gesichtspunkten organisierten Netzwerk zusammen. Dabei ergab sich eine ganz ähnliche Struktur, wie auch aus einer Auswertung der Daten nach dem Google-Verfahren PageRank folgte. So konnte mit PageRank zuverlässig die Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden, mit der die Wörter von den Probanden genannt wurden. Da die Informationen in beiden Systemen auf ähnliche Weise beschafft und verarbeitet werden, lassen sich in Zukunft vielleicht neue Möglichkeiten finden, wie Suchmaschinen optimiert und die kognitiven Leistungen weiter erforscht werden können, erklären die Forscher.

Thomas Griffiths (Universität von Kalifornien, Berkeley) et al.: Psychological Science, Bd. 18, S. 1069

wissenschaft.de – Christina Taraschewski


Wer Omas und Opas liebste Enkel sind

Meldung vom 27.12.2007 - Großeltern ziehen die Kinder ihrer Töchter vor

Großeltern mütterlicherseits bemühen sich stärker um den Kontakt zu ihren Enkeln als Großeltern väterlicherseits. Das haben Forscher aus Großbritannien und Belgien herausgefunden, als sie die beim Besuch der Enkel zurückgelegten Wegstrecken miteinander verglichen. Wichtig für den Sozialkontakt sei demnach, ob die Verwandtschaft über die Mutter oder den Vater besteht, schließen die Wissenschaftler aus den Untersuchungen mit mehr als 800 Großeltern.

Psychologische Gründe spielen bei diesen Unterschieden in der Fürsorge nach Ansicht der Forscher eine wichtige Rolle. So können Mütter immer davon ausgehen, dass sie mit ihren Kindern und Enkelkindern verwandt sind, während Väter niemals ganz sicher sein können, ob sie tatsächlich die biologischen Väter sind. Genauso sicher können sich auch die Großmütter mütterlicherseits sein, was vermutlich die mit größerer Bereitwilligkeit zurückgelegten Wege zu den Enkelkindern erklärt.

Von Großeltern, die in bis zu 30 Kilometer Entfernung zu ihren Enkeln lebten, hatten 30 Prozent der mütterlichen Seite pro Woche mindestens mehrmaligen wenn nicht sogar täglichen Kontakt zu ihren Enkeln. 25 Prozent der Großväter mütterlicherseits besuchten ihre Enkel in ähnlichen Abständen. Dagegen machten sich die Großeltern väterlicherseits beim Besuch ihrer Sprösslinge rar: Im Mittel statteten nur etwa 15 Prozent der Großeltern von der Vaterseite ihren Enkeln pro Woche einen Besuch ab.

Thomas Pollet (Universität in Newcastle) et al.: Evolutionary Psychology, Band 5, S. 832

wissenschaft.de – Christina Taraschewski


Wie Wörter die Aufmerksamkeit lenken

Meldung vom 27.12.2007 - Wer das Wort "Hut" hört, richtet sein Interesse nach oben 

Wörter wie "Pfütze" oder "Vogel" sind für das Gehirn mehr als nur Bezeichnungen für bestimmte Objekte. Sie helfen ihm zusätzlich bei der Navigation im Raum, haben britische und amerikanische Psychologen gezeigt. Wer zum Beispiel das Wort "Vogel" hört, richtet den Fokus seiner Aufmerksamkeit automatisch nach oben. Gleichzeitig taucht vor seinem geistigen Auge das Bild eines Vogels auf. Dieser Effekt beeinflusst, wie schnell Menschen bestimmte Gegenstände an bestimmten Positionen wahrnehmen können, schreiben Zachary Estes von der Universität von Warwick in Coventry.

Dass Zeichen oder auch Wörter in der Lage sind, die Aufmerksamkeit zu verschieben, haben Psychologen schon früher gezeigt. So konzentrieren sich Probanden beispielsweise stärker auf den linken Rand eines Bildschirms, wenn sie zuvor das Wort "links" gelesen haben. Estes und sein Team interessierte nun jedoch, ob es diesen Effekt auch bei Wörtern gibt, die nicht direkt eine Richtung anzeigen, sondern lediglich Objekte mit einer typischen Position im Raum bezeichnen – wie etwa Wurzel, Wolke oder auch Hut. Allerdings ist die Wirkung dieser Wörter auf das Gehirn etwas komplexer als etwa die des Wortes "links", denn sie reaktivieren bestimmte neuronale Pfade, die auch während der echten Wahrnehmung des jeweiligen Objektes aktiv waren. Anders ausgedrückt: Sie erzeugen ein Bild des Gegenstandes vor dem geistigen Auge.

Die Idee der Forscher war nun folgende: Wenn diese Wörter die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Stelle lenken und gleichzeitig ein Bild im Gehirn erzeugen, müsste das dazu führen, dass an der gleichen Stelle auftauchende fremde Gegenstände mit einer gewissen Verzögerung erkannt werden – schließlich muss zuerst das geistige Bild gelöscht werden, um die entsprechenden Ressourcen freizumachen. Sie ließen also knapp 140 Freiwillige Wörter wie "Hut" oder "Stiefel" an einem Bildschirm lesen und erzeugten anschließend entweder oben oder unten am Monitor ein X oder ein O.

Tatsächlich brauchten die Probanden nach dem Lesen des Wortes "Hut" länger, ein oben am Bildschirm erscheinendes X zu identifizieren als eines am unteren Rand des Monitors, ergab die Auswertung. Das Wort verschiebt demnach eindeutig die Aufmerksamkeit nach oben, schließen die Psychologen – ein Mechanismus, von dem das Gehirn auch profitieren kann: Wäre dort nämlich tatsächlich ein Hut aufgetaucht, hätten die verschobene Wahrnehmung und das geistige Bild dessen Erkennung beschleunigt, erklären die Forscher.

Zachary Estes (Universität von Warwick in Coventry) et al.: Psychological Science, Band 19, Nr. 2

wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel


Frühe Fremdbetreuung ist für Kinder schädlich

Meldung vom 26.12.2007 - Deutsche Psychoanalytiker warnen in einem Memorandum vor innerseelischen Katastrophen: Ganztägige Trennungen von den Eltern stellen extreme psychische Belastungen für die Kinder dar. Je länger die Fremdbetreuung, desto höhere Werte des Stresshormons Cortisol seien bei den Kindern nachweisbar.

Ein „Memorandum“ der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) gießt Öl ins Feuer der Debatte über frühkindliche Fremdbetreuung. In den ersten drei Lebensjahren seien Kinder „ganz besonders auf eine schützende und stabile Umgebung angewiesen“. Die Analytiker berufen sich auf „Tiefenwirkungen und Langzeitfolgen von kindlichen Entwicklungsbedingungen“, denen sie in Forschung und Praxis begegnen.

Die DPV-Vorsitzende Gertraud Schlesinger-Kipp sagte WELT ONLINE, sie habe in ihrer Kasseler Praxis vor allem mit Älteren zu tun, die während des Krieges „chaotische Betreuungsverhältnisse“ durchlebten: „Sie wurden zu Großeltern oder ins Heim gegeben und wussten meist nicht, warum. Wir stellen fest, dass das gerade im Alter zu enormen Verunsicherungen gegenüber sich selbst führt.“

Generell gebe es nur wenig Forschung zu kindlicher Fremdbetreuung in Deutschland. Sie selbst sei gespannt auf die Ergebnisse einer laufenden Studie, die das Frankfurter Sigmund-Freud-Institut 2008 präsentieren will. Es handelt sich um eine Untersuchung zu jungen ostdeutschen Erwachsenen mit Krippenerfahrung. „Generell gilt: Trennungserfahrungen in sehr frühem Alter werden im Körper gespeichert. Sie tauchen in späteren Situationen als Ängste wieder auf“, so Schlesinger-Kipp.

Ein Kind entwickle erst langsam die Fähigkeit, die Abwesenheit der Eltern innerseelisch zu verkraften, heißt es in dem Memorandum. Plötzliche oder zu lange Trennungen von den Eltern bedeuten in der frühen Kindheit einen „bedrohlichen Verlust der Lebenssicherheit, auch weil Sprach- und Zeitverständnis des Kindes noch nicht weit genug entwickelt sind, um Verwirrung oder Angst mit Erklärungen zu mildern“. Langsame Übergänge seien daher oberste Bedingung.

Tagesmuttermodell gilt als besonders konfliktreich
Weil ein Kind sich immer an eine Betreuerin oder „Übergangsmutter“ binde, bedeute jeder Krippenwechsel oder Wechsel der Tagesmutter einen Bindungsverlust für das Kind. Besonders schwerwiegend sei dies, wenn das Kind in seiner Trauer nicht von den Eltern unterstützt oder bestätigt werde. Das „Tagesmuttermodell“, von dem man sich generell mehr Individualität bei der Betreuung erhofft, sei hier „besonders konfliktreich“, heißt es in dem Memorandum. Denn häufig auftretende Spannungen zwischen Mutter und Tagesmutter und eine damit verbundene „Auswechslung“ der Tagesmutter stürzen das Kind in die Krise. „Das Kind, das diesen Verlust primärer Ersatzbemutterung hinnehmen muss, wird nicht gefragt werden. Es wird trauern, aber die Trauer wird von der Mutter schwerlich begleitet werden können, denn sie sieht keinen Trauerbedarf“, sagt die Hamburger Psychologin und Psychoanalytikerin Ann-Kathrin Scheerer. „Die Trauer um den Verlust der Kinderfrau bleibt als Spur der Entfremdung zwischen Mutter und Kind erhalten.“

Scheerer sieht ein weiteres Problem in der Betreuung durch Tagesmütter oder Kinderfrauen: die täglichen Wechsel zwischen der einen und der anderen „Mutter“: „Die frühe Aufspaltung des Bemutterungsangebots kann zu einer bleibenden Aufspaltung des inneren Beziehungserlebens führen.“ In der psychoanalytischen Therapie erlebe man das oft als „verdrängtes oder bagatellisiertes Fremdbetreuungsschicksal“.

Die Psychoanalytiker wünschen sich für den Beruf der Tagesmutter eine „Professionalisierung mit guter Ausbildung und berufsbegleitender Supervision“. Auch mache es entwicklungspsychologisch einen bedeutsamen Unterschied, ob ein Kind mit einem Jahr, mit anderthalb oder zwei Jahren außerfamiliär betreut und wie viele Stunden täglich sie in Anspruch genommen werde.

Je länger die tägliche Betreuung getrennt von den Eltern erfolge, desto höhere Werte des Stresshormons Cortisol seien im kindlichen Organismus nachweisbar. Das erkläre den Zusammenhang zwischen ganztägiger außerfamiliärer Betreuung und späterem aggressivem Verhalten in der Schule. Um „Traumatisierungen“ zu verhindern, fordern die Analytiker, analog zur Schulreife für jedes Kind individuell die „Krippenreife“ zu beurteilen.

Zur Originalnachricht auf welt.de - Von Birgitta vom Lehn



Wie Gefangene die Hackordnung festlegen

Meldung vom 17.12.2007 - Menschen vergleichen sich mit anderen und versuchen zu ermitteln, auf welcher Sprosse der sozialen Leiter sie selbst stehen. Das ist auch im Gefängnis so, hat jetzt ein amerikanischer Wissenschaftler festgestellt. Allerdings ziehen Statussymbole wie Autos oder Schmuck nicht.

"Menschen wollen sich immer mit anderen messen", erklärt Brian Colwell von der University of Missouri im Fachblatt "Social Psychology Quarterly". "Aber im Gefängnis jemandem einen höheren oder niedrigeren Sozialstatus zuzuschreiben und diese Bewertungen anderen mitzuteilen, könnte zu Problemen führen. Man darf selbst nicht unterwürfig erscheinen, und man sollte auch nicht versuchen, andere klein zu machen. Man hat im Gefängnis das Interesse, sich einigermaßen zu behaupten. Aus diesem Grund spielt Respekt eine große Rolle, damit Konflikte vermieden werden. Respekt biete die Möglichkeit, jemanden als Person zu ehren, aber dies nicht deshalb zu tun, weil jemand etwa ein besserer Mensch wäre."

Colwell hat seine Erkenntnisse aus den Befragungen von 131 Gefangenen aus 16 kalifornischen Gefängnissen gesammelt. "Es geht eine ganze Menge im Gefängnis", sagt Brian Colwell. "Das Gefängnis ist keine außerirdische Welt", sagt er. "Das Gefängnis ist vielmehr ein Mikrokosmos, in dem es ständig Auseinandersetzungen gibt. Es ist eine Gesellschaft von Eingeschlossenen, aber deren Dynamik ist auch relevant in Bezug darauf, wie Menschen in streitbaren sozialen Umfeldern miteinander umgehen."

Vor diesem Hintergrund bewertet Colwell auch Gewalt neu. Gewalt diene demnach nicht einfach der Durchsetzung einer Hackordnung. Manchmal entstehe sie gerade daraus, dass man seine eigene Identität verstärken möchte.

Zur Originalnachricht auf welt.de



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by Dr. Radut